Mittwoch, 25. Oktober 2017
würden wir wüste Prophezeiungen ausstossen, würden wir ja naturgemäss
das Ende prophezeien, wir würden rufen, dass es jetzt dann bald fertig sei, das
hat uns der krebkranke Vater einmal gesagt, kurz vor seinem Tod, es sei jetzt
dann bald fertig, die hinwelken wie Gras,
es sei jetzt dann bald fertig, das würden wir sagen, und das würde
überhaupt nichts bewirken, wir könnten ebensogut sagen, dass jetzt alles bis in
alle Ewigkeit so bleiben würde, wie es ist, würden wir dadurch freundlichere
Wesen, würden wir liebenswürdiger, sanfter, offener, würden die insgeheim
Liebenden ihre grossen Geheimnisse offenbaren,
würden sie sich finden, oder würden sie weiter leiden, genau wie vorher
weiter warten, weiter träumen, weiter verzweifeln, obstupescite et admiramini, wären wir weniger verlogen oder weniger
habgierig, das wäre gewiss gar nicht erwünscht, wenn plötzlich alle Verlogenen,
Verbohrten, Hartherzigen aus ihrer Art fallen würden, unsere letzten Stündchen
hier auf Erden würden uns gewiss nicht verschönert, wenn sie plötzlich von
allerlei süsslichen Freundschaftbezeugungen und heuchlerischem Gewäsch erfüllt
wären, wir würden die Bösen, die uns jetzt das Leben sauer machen, erst recht
als Teufelsspuk empfinden,
Freitag, 6. Oktober 2017
und drücktest, nein, niemals, nur keine Aenderungen, es soll
alles so bleiben, wie es ist, die Bösen sollen bis zuletzt böse bleiben und die
Guten bis zuletzt gut, die Sache soll ihren Lauf nehmen, und wir tragen das
unsere dazu bei, indem wir uns nicht äussern und keinesfalls politischer
Philosoph werden, das ist geradezu ein Angsttraum von uns, sagen wir zum Vogel,
dass wir politischer Philosoph sein könnten oder überhaupt Politiker,
sagt mein lieb, da sitzen wir lieber in einer fremden Stadt
auf einer beliebigen Parkbank und unterhalten uns mit einem lieben Vogel, als
dass wir uns irgendwo wichtig machen mit unseren unmassgeblichen Spatzenhirnmeinungen,
fluctuate et vacillate, und nun
vergegenwärtige man sich die viere, wie sie, im zierlichsten Raum, beisammen,
gegen einander über sitzen in der seligsten Welt von lindem Lufthauch angeweht,
auf glänzenden Wellen geschaukelt, von
nun an,
Mittwoch, 27. September 2017
man denke das weibliche Paar, wie wir sie vor kurzem geschildert
gesehen, das männliche, mit dem wir schon seit Wochen ein gemeinsames
Reiseleben führen, und wir sehen nach einiger Betrachtung sämtlich in der
anmutigsten, obgleich gefährlichsten Lage, daz
ich sei, in Düsseldorf sagt der dicke Taxichauffeur, den wir uns ausgesucht
haben, weil wir hoffen, dass er auf unsere Frage nach einem Eros-Center verständnisvoll antworten
würde, klar, das haben wir, demgemäss, das
Eros-Center ist ganz in der Nähe, man
braucht kein Taxi, es ist gleich hinter dem Bahnhof in einem grossen Hof, der
durch hohe Mauern so abgeschirmt wird, dass die Reisenden in den Zügen das Treiben
im Hof nicht sehen können, inebriamini,
Sonntag, 10. September 2017
Freitag, 8. September 2017
wir haben Verständnis für die Befürchtungen der Liberalen, wonach der
Staatssozialismus den einzelnen entmündige und ihm das Recht und die Pflicht
zur Selbstverantwortung nehme, wir stimmen zu, wenn sie erklären, dass der
Staat mit seinen Zwangsversicherungen zu einer allgemeinen Kleinkinderbewahranstalt, zu einer Suppenanstalt werde, ja, wir sind eine
Suppenanstalt, wir bauen, wie die Römer, Theater für den Pöbel und richten
Spiele aus, zum Vergnügen und zur Unterhaltung der Massen, und unsere
Politiker gehen, wie die römischen Senatoren, mit der weissen Toga einher und
werben um die Stimmen der Wähler und drücken jedem die Hand, aber es geht nicht
anders,
es geht nicht anders, wir haben nur die Wahl zwischen zwei
Zuchthäusern, dem liberalen und dem sozialistischen, mich, daz ich sei, ein so strukturierter Despotismus werde Einfluss
auf das gesamte Kulturleben nehmen wie in der Antike, er werde damit jene
Grabesstille herbeiführen, in der Venedig endete, weggeräumt, der Untergang der politischen Freiheit und der
nationalen Gesittung wird das Ende sein, dem sie zuführt, und es wird einerlei
sein, ob dieses Ende auf dem Wege der konservativ-sozialistischen oder der
sozialdemokratischen Organisation erreicht werden wird, der Ruin der Kultur,
der dann eintritt, wird in beiden Fällen derselbe sein,
fester, neolithische Revolution, die Tragödie beginnt,
die Erde wird gezwungen, mehr herzugeben, als sie zu geben bereit war, et non a vino movemini et non ebrietate, ich
erwiderte, ich sehe eine fliegende Schriftrolle, zwanzig Ellen lang und zehn
Ellen breit, nach seiner minne siech, da
sprach er zu mir, das ist der Fluch, der hinauszieht über das ganze Land, denn
jeder Dieb wird von nun an jenem Fluch gemäss weggeräumt, und jeder Meineidige
wird von nun an demgemäss weggeräumt, quoniam
miscuit vobis Dominus spiritum soporis,
man kann nicht sagen, dass man nicht gewarnt worden wäre, es gab
genügend Leute, die hellsichtig genug waren, um zu sehen, was auf die zukam,
Eugen Richter hat beispielsweise 1891 in seinen Sozialdemokratischen Zukunftsbildern Wesentliches von dem
vorweggenommen, was später in den realsozialistischen Ländern Wirklichkeit
geworden ist, in Form eines fiktiven Tagebuches schildert ein zunächst begeisterter
Sozialdemokrat den Sieg der Revolution und die anschliessende Umgestaltung der
Gesellschaft, Verstaatlichung, Auflösung der Familie, Herstellung sozialer
Gleichheit, Organisation der Arbeit und des Konsums,
Sonntag, 6. August 2017
fester im Arme, man hätte es deshalb wissen können, was in
einem solchen Experiment geschehen muss, Lenin hätte es lesen können, die
Arbeitsdisziplin zerfällt, die Grundnahrungsmittel werden knapp und müssen
rationiert werden, das Alltagsleben versinkt in Schäbigkeit und Monotonie, der
Terror wächst, die politische und geistige Freiheit geht verloren, die sozialen
Beziehungen zerfallen, die Zwangsarbeit muss wieder eingeführt werden, und der
Staat wird zu einem einzigen grossen Zuchthaus, wir denken, gleiche Arbeitszeit, zwangsweise Zuteilung zu
bestimmten Arbeiten, dergleichen kannten wir früher nur in den Strafanstalten,
der Küchenzettel in dieser Strafanstalt ist früher vielleicht besser,
jedenfalls nicht schlechter gewesen, claudet
oculos vestros prophetas,
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