Dienstag, 2. Juli 2024


 

 

muralla, und dann spricht er einen wahren Text, ich freue mich, sagt er, dass es in dieser Welt noch anständige Menschen gibt, die einen Charakter haben, die auch bei grösstem Gegenwind zu ihrer Ueberzeugung stehen, liest er, et terra gloria tua, dies verstehe ich nicht, was es bedeute, liest er, und eben darumb, weil ich es nicht verstehe, erweckt es in mir ein grosses Wollust und Freude, und wenn er das liest, schämt er sich nicht mehr, y mis pechos, der Vortragende wirkt nicht mehr wie eine an Fäden gezogene Puppe, nicht mehr wie ein Zombie, aus dem Grab hervorgepfiffen, um einer stumpfsinnigen Menge Kulturtabletten abzugeben, ja, liest er, schon,

Donnerstag, 27. Juni 2024

 

und gleicht nicht mehr einem Baron Samdi, der nur erscheint, um uns zum Grab zu geleiten, alle lügen, einer ist fondateur d'une université, ein anderer assistant, er hat nur dieses Wort, er weiss kein anderes, wenn man ihn fragt, was er tut oder macht, dann sagt er je suis assistant, und wenn man weitere Fragen stellt, wiederholt er den Satz, er hat nur diese eine Lüge, wir sind da viel flexibler, wir sind beispielsweise Liebender, liest er, auf der leeren, nur schwach beleuchteten Bühne, vor dem Dunkel, in dem vielleicht eine Zuhörerin sitzt, vær som et rådyr, und die Lesung muss gar nicht stattfinden, es genügt, dass wir sie uns denken, dann findet sie ja auch statt, dann liest der beste deutschsprachige Schauspieler mit seiner weichen, warmen Engelsstimme die tausend Seiten in einem Zug, und so kann auch anderes nicht stattfinden,

Donnerstag, 13. Juni 2024

 

die fétiches müssen nicht angefertigt werden, weil sie ja schon lange vorhanden sind, sie sind da, zerlegt, in tausend Teilen, son torreones, wir andern aber sollen in aller Einfalt annehmen, was uns der Herr mittheilen will, was er uns aber nicht gibt, haben wir keine Ursach, uns darumb zu bekümmern, sondern haben uns zu erfreuen in der Erwägung, dass unser Gott und Herr also gross ist, dass ein einziges seiner Wort tausenderley Geheimnuss in sich begreifet, dahero verstehen wir es nicht genug, liest der Schauspieler, mir sagt es die Träne, nicht nur die Politiker leben unter einer Käseglocke, auch die Bürger leben unter einer Käseglocke, die Bürger oder wie auch immer man diese dahindämmernden Kreaturen nennen will, sie leben in einer dumpfen, stickigen Käseglockenluft,

Sonntag, 26. Mai 2024

Donnerstag, 9. Mai 2024

 

und alle nehmen sich wichtig, alle sind kleine dösende Herrgötter, jeder einzelne ein kleiner Herrgott im Mittagsschläfchen, und man darf sie nicht behelligen, oh nein, wehe, wenn man auch nur behutsam an die Käseglocke tippt, dann entsteht ein Affen­theater, und man bereut sofort, dass man die Herrgöttchen aus ihren Träumen gerissen hat und nimmt sich vor, es nie wieder zu tun, ne suscietis et evigliare faciatis, nie wieder, im übrigen ist es schlimm genug, dass jetzt Zeiten kommen, in denen Käseglocken keinen Schutz mehr bieten, als wie auch zuvorhin, wir leben von der Substanz, geistig, politisch, kulturell, wirtschaftlich, ökologisch, und nie vorher hat man sich so wenig daraus gemacht, nie vorher hat man über alle Parteien und Schichten und Gruppierungen hinweg sich so mit dem Verfall abgefunden, und so scheint es, als ob es nun kein Mittel mehr gäbe, die Dinge zu ändern,

 

 

Freitag, 12. April 2024

 

der Zerfall ist da, um uns, in uns, die Individuen ertragen den Druck nicht mehr, der auf ihnen lastet, sie fallen auseinander, und gerade die Tüchtigsten fallen auseinander, hosanna, letzte Sitzung des Kongresses, alle Resolutionen werden angenommen, natürlich gegen die Stimmen der Russen, Radek hielt noch eine boshafte Rede, hinter der Maske des jungen Liebhabers, die er aufgesetzt hat, hinter seinen blitzenden Brillengläsern zeigt sich plötzlich in seinem Gesicht etwas, das zwischen Facta und Wolf ist, und auch etwas von einem Straßenjungen oder von den bösen Buben von Busch nach einem besonders gelungenen Streich, eine wahre, freche, amüsante und schreckliche Mephistophysiognomie,

Dienstag, 26. März 2024

 

Die Frau des Bäckers, sie denken, die Gesellschaft bestehe nur noch aus ein paar alten Damen und aus Drogensüchtigen und Drogenhelfern, und sie ertragen nur noch die alten Damen, die alten Damen haben ihre Würde, aber sie ertragen die Drogensüchtigen nicht mehr, sie ertragen auch die Drogenhelfer nicht mehr, sie möchten zur Pistole greifen und erschiessen, wer ihnen gerade in die Hände gerät, dilectam, aber sie möchten dies nur tun, sie tun es natürlich nicht, die Natur will es anders, die Natur will, dass sie die Verlorenen schweigend zurückziehen, dass sie das Uebel in sich hineinfressen und still daran zugrundegehen, jhr wollet fleissig schawen,

Mittwoch, 13. März 2024

Donnerstag, 22. Februar 2024

 

ich empfehle Ihnen sehr, hören wir, im Dunkeln sitzend, sich mit den fundamentalistischen Tendenzen in aller Welt zu befassen, lesen Sie, was in Teheran, in Algier, in New York geschieht, manchen Sie sich mit diesen Mentalitäten vertraut, wir werden sie sehr bald auch bei uns antreffen, wir sind ja womöglich schon mittendrin im allerärgsten Fundamentalismus, wir merken es nur nicht, denn unsere erzfundamentalistische Ueberzeugung geht dahin, dass wir glauben, dass das, was wir machen, gut und vernünftig ist, Euphrosyne, aber das, was wir tun, ist schon seit ein paar Jahrhunderten nur noch krimineller Unfug, in wechselnden Formen, in durchaus interessanten Formen sogar,

Freitag, 16. Februar 2024

 

eller en ung hjort, wie kann ein Mensch das alles aushalten, diese Frage ist leicht zu beantworten, das Leben hat das Leben immer ausgehalten, es hat sich von allem Anfang an aushalten müssen, das gehörte zu seinem Grundprogramm, ohne diese Festigkeit und Resistenz wäre es ja schnell wieder verschwunden, und je höher es sich entwickelte, um so zäher und widerstandsfähiger musste es werden, um so listiger, um so klüger, es liegt daher durchaus im Programm der Evolution, wenn uns viel aufgebürdet wird, Hindernisse und Gefahren bringen nie so viele Organismen um, dass der Fortbestand des Lebens gefährdet wäre, Schwierigkeiten stärken uns, wecken den Lebenswillen, bringen uns weiter, Euphrosyne,

Freitag, 2. Februar 2024

 

dann wären wir demnach alle stark und zäh und klug, die Auswahl, die die Natur trifft, ist nur aus unserer beschränkten Sicht eine negative Auswahl, wir sind Nachkommen von Individuen, die sich auf fragwürdige Weise durchgesetzt haben, wir sind Nachkommen von Gewalttätern, von Kriegern, von Schlägern, aber auch von Schlaumeiern, Parasiten, Betrügern, Dieben, Nachkommen auch, und das wollen wir nicht vergessen, von Unterwürfigen, Schleimi­gen, Devoten, die sich mit den Herrschenden zu arrangieren wussten, Nachkommen vielleicht auch von Dummköpfen, die man um ihrer Blödheit willen ungeschoren liess, fleissig schawen, mit diesem Material etwas anzufangen, einen Staat zu bilden, ist nicht sehr aussichtreich,